Der Feuerteufel in mir

Unser nächstes Ziel in Kanada war die Hauptstadt des Yukon: Whitehorse. Die Stadt selbst hat nicht viel Sehenswertes zu bieten, dafür deckten wir uns mit Allem ein, was wir die nächste Zeit brauchen würden: warme Kleidung, Gas, Wasser, Nahrungsmittel und Werkzeug für die Montage des Solarmoduls, wenn es denn jemals den Weg zu uns finden würde. Beim Durchstöbern der Märkte stießen wir prompt auf ein Solarmodul, das gerade unverschämt günstig angeboten wurde, und unser gedachtes Schnäppchen aus dem Internet als Wucherpreis darstehen ließ! Wir ärgerten uns schwarz und dachten daran, das Modul aus Trotz einfach noch dazu zu kaufen… ließen es aber nach einem Beruhigungskaffee dann doch sein. Gründe zum Ärgern gab es jedoch auch danach noch genug: Unsere SIM-Karte aus Alaska sollte in Kanada auch funktionieren, tat sie theoretisch auch, aber das hilft nicht viel, wenn die Netzabdeckung des Anbieters in 99% des Landes nicht vorhanden ist. Hieß für uns, zusätzlich noch nach einer kanadischen SIM zu schauen. Was in Asien in 30 Sekunden für wenig Geld am Straßenstand erledigt wird, wird in Kanada zu einem fast unmöglichen Unterfangen. Wir wurden von Laden zu Laden geschickt, von Anbieter zu Anbieter verwiesen, um am Schluss wieder im allerersten Laden zu stehen. Viel Zeit, Geduld und vorallem Geld später waren wir endlich Besitzer einer PrePaid Karte, mit im Vergleich zu den bisher besuchten Ländern unmöglichem Preis-Leistungsverhältnis. Aber was tut man als Internet-Suchtie nicht alles.. Eine weitere Herausforderung war das Finden eines Stellplatzes für die Nacht. Wir waren durch die letzten Wochen sehr verwöhnt worden, mithilfe der beiden Apps WikiCamps und iOverlander fanden wir immer landschaftlich tolle Plätze für wenig Geld. Anders in Whitehorse. Ein Campingplatz nach dem nächsten wurde abgefahren, aber da es bereits Anfang Oktober war, waren alle bereits geschlossen! Die Camping-Saison endet sowohl in Alaska als auch in Kanada spätestens Ende September, und das bekamen wir jetzt gnadenlos zu spüren. Müde und hungrig landeten wir schließlich auf einem Schotterplatz mit Stadtblick, der jedoch von den Anwohnern ebenfalls ausgiebig genutzt wurde. Jedenfalls war von Pärchen-Action im Auto, trinkenden Jugendlichen über heimlich den Müll entsorgenden Einwohnern alles dabei. Keine Nacht mit Privatsphäre! Das Schlimmste jedoch war, dass es keine Möglichkeit gab, ein Lagerfeuer zu machen. Das war nämlich die letzten Wochen zur liebgewonnenen allabendlichen Angewohnheit geworden. Während Chris bereits Erfahrung im Feuermachen hatte, war es Neuland für mich, und kaum hatte ich mein erstes Lagerfeuer entfacht, freute ich mich jeden Abend wie verrückt darauf. Dies führte so weit, dass die schönen Landschaften, an denen wir vorbeifuhren, vorallem nach gutem Feuerholz abgescannt wurden, die Klamotten standardmäßig rußverschmiert und voller Brandlöcher waren, Haut und Haare dauerhaft nach kaltem Rauch stanken, und die Campingplätze danach ausgewählt wurden, ob es eine Feuerstelle gab oder nicht. Bei der Bereitstellung von kostenlosem Feuerholz hatte der Platz natürlich sofort gewonnen… Ja, man kann sagen, ich habe den Feuerteufel in mir! Bis heute kaum vorstellbar, wie er so lange unerkannt bleiben konnte. Und Mama, wenn du das liest: keine Sorge, so begeistert wir Feuer machen, so gewissenhaft sind wir dabei. 🙂

Nach zwei feuerlosen Nächten und der Erledigung all unserer Einkäufe verließen wir Whitehorse und machten Halt am nahegelegenen Miles Canyon, an dem wir wieder mit einer entspannten Wanderung Natur pur tanken konnten und dabei die phantastischen Ausblicke genossen. Ein paar Kilometer weiter erkundeten wir die Carcross Desert, die kleinste Wüste der Welt (eigentlich nur ein paar große Sanddünen, aber in dieser Umgebung trotzdem unerwartet und spektakulär)! Danach fanden wir auf dem Weg nach Watson Lake einen unserer bisher schönsten Stellplätze überhaupt: Am „Little Atlin Lake“ stellten wir uns in eine kleine Bucht direkt am See, genossen bei strahlendem Sonnenschein wieder absolut unberührte, stille, unendlich schöne Natur. Sobald die Sonne weg war, fiel die gnadenlose Kälte ein, doch wir vertrieben sie mit einem wunderschönen Lagerfeuer und grillten Marshmallows. Sooo muss das sein!

Am Miles Canyon
Einsamer Wüstenwanderer
Schöner Wohnen am Atlin Lake
Kleiner Nachbar

Leider konnten wir nur eine Nacht bleiben, denn wir bekamen die Nachricht, dass unser Paket mit dem Solarmodul angekommen sei. Da wollten wir kein Risiko eingehen und machten uns sofort am nächsten Morgen auf nach Watson Lake, zu dem Campground, den wir als Empfangsadresse angegeben hatten. Nach stundenlanger Fahrt kamen wir dort aufgeregt an, nur um vom emotionslosen Mitarbeiter gesagt zu bekommen, dass nichts da sei. Und sowieso, Pakete würden hier gar nicht hingeliefert, dafür sei das viel zu weit ab vom Schuss. Vielleicht sei es ja im Zentrum irgendwo. Wir sahen unsere Chancen rapide schwinden, unser Paket jemals zu finden. Entmutigt fuhren wir zur Poststelle in dem 1000-Seelen-Ort, wo uns die Dame am Schalter nach langem Hin und Her schließlich sagen konnte, dass das Paket tatsächlich hier sei! Nur herausgeben – das könne sie es nicht. Dafür müsse der Besitzer vom Campingplatz kommen. Lange Telefonate später war schließlich ausgemacht, diesen am Tag darauf an der Poststelle zu treffen. Wir freuten uns wie Kinder! Übernachtet wurde stilecht an einem traumhaft angelegten, natürlichen Campingplatz, nahe am See, geschützt zwischen Bäumen… und mit Feuerstelle. Chris tobte sich beim Holzhacken aus, und wir saßen lange draußen trotz klirrender Kälte.

Am nächsten Tag waren wir pünktlich am Treffpunkt, und tatsächlich fuhr der Besitzer des Campingplatzes vor und holte uns das Paket. Wir entlohnten ihn mit Schokolade und fuhren sofort zurück zu unserem vorabendlichen Stellplatz. Chris machte sich sofort ans Werk, und so begeistert und fachmännisch, wie er das Solarmodul montierte, so begeistert und fachmännisch verbrannte ich ein Holzscheit nach dem nächsten. Als er spät am Abend sein Werk vollendete, vollendete ich gerade das letzte Bier, und wir feierten unsere neue Stromunabhängigkeit zusammen mit unserem neuen Freund, einem zutraulichen Waldvogel der Sorte „Grey Jay“, der uns angstlos aus der Hand fraß. Ein schöner Abend!

Arbeitsplatz mitten im Wald
Unser Freund, der Grey Jay!

Am nächsten Morgen war Kreativität gefragt: Eine Sehenswürdigkeit in Watson Lake ist der Schilderwald, in welchem sich die Vorbeireisenden mit Schildern aus ihrer Heimatstadt verewigen. Wir wunderten uns ehrlich, in welchen Nacht-und-Nebel-Aktionen die ganzen Namensschilder der Städte entwendet sein mussten, die hier hingen. Tausende Schilder, und ganz groß dabei natürlich die der deutschen Städte! Fast alles aus unserer Heimatumgebung fand man hier, Karlsruhe, Ludwigshafen, Mannheim… doch eines fanden wir nicht: Speyer! Dummerweise hatten wir kein Ortsschild dabei, und auch sonst nichts Langlebiges, was wir an die Holzpfähle schrauben konnten. Bis auf eine leere Kaffeedose. Und die wurde es dann auch! In Gesellschaft von unserem Lieblingsvogel Grey Jay entstand aus der Dose, einem Rest Draht, Papierschablonen und Rostinhibitor aus der Dose ein sicher einmaliges Ortsschild von Speyer. Nachdem wir es gut sichtbar im Schilderwald aufgehängt hatten, konnten wir guten Gewissens die Weiterreise antreten. Nächstes Ziel: die nördlichen Rocky Mountains!

Schilderwald in Watson Lake
Und Speyer ab jetzt mittendrin!

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Doria
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Doria

Speyer wird stolz auf euch sein! 😛

…und den Feuerteufel habe ich schon erkannt, als wir damals erst meine und dann deine Schulsachen verbrannt haben….aber immerhin auch um darin geklaute Kartoffeln und Äpfel zu braten 🙂

Kerstin
Gast
Kerstin

Nach diversen Silvester-Böllereien bin ich jetzt auch nicht überrascht… 😀