Über heiße Quellen und geplatzte Deals

Nach der Schönheit des Death Valley freuten wir uns schon sehr auf den Yosemite Nationalpark, und so fuhren wir gut gelaunt früh morgens los, um noch rechtzeitig einen der begehrten Campingplätze zu bekommen. Doch bald trübte sich unsere Laune. Erstens wurde es zunehmend kälter, und schon bald sah man die ersten Schneereste an der Straße liegen. Nach so vielen Nächten am Rande des Gefrierpunkts reagierten wir nun leicht allergisch auf den Gedanken, unsere letzten Nächte in der Natur wieder frieren zu müssen. Was allerdings viel schlimmer war: es tauchten Schilder auf, die vor Straßenglätte warnten und anzeigten, dass einige Straßen des Yosemite Nationalparks gesperrt seien. Besorgt fuhren wir an den Straßenrand und checkten die Straßenlage, und tatsächlich: nicht nur die Straße, die wir fahren wollten, auch noch die nächste und die übernächste Möglichkeit waren aufgrund Schneestürme gesperrt! Es gab von unserem Standort aus keine Chance, in den Nationalpark zu gelangen. Dunkle Wolken in den Gebirgsketten vor uns machten auch keine Hoffnung auf nahe Besserung. Es war traurig, doch unsere letzte Station war definitiv geplatzt. Da aber Trübsal blasen nicht in Frage kam, schauten wir uns auf der Karte erst einmal an, ob es etwas Interessantes in unserer unmittelbaren Nähe gab. Und siehe da: Keine 10 Minuten entfernt fanden wir auf Google Maps die Beschreibung einer natürlichen heißen Quelle, die zum Baden geeignet war, und auf deren Parkplatz man auch noch über Nacht stehen durfte! Wir zögerten nicht lange und fuhren schnurstracks über holprige unbefestigte Straßen mitten rein in die menschenleere Pampa. Hier sollte sich ein natürlicher Whirlpool befinden? Als wir um die letzte Kurve fuhren, staunten wir nicht schlecht: auf dem großen Parkplatz befand sich nicht nur ein Dixi-Klo, sondern Dutzende von Autos! Gespannt schnappten wir uns unsere Badesachen und liefen die letzten Meter in klirrender Kälte über den angelegten Holzsteg. Und dort dampfte es aus mehreren kleinen natürlichen Pools, mitten in den Wiesen, und überall lagen die Leute darin. Wir rutschten über den glitschigen Schlamm ins Wasser und fühlten uns sofort wie im Himmel. Angenehme Badewannentemperatur, dazu das Plätschern von kleinen Wasserfällen, der unglaubliche Ausblick auf die Bergenlandschaft und ein riesiger orangener Vollmond gab der Szenerie etwas Märchenhaftes, und auf einmal waren wir gar nicht mehr traurig über die gesperrten Straßen.

Umgebung der Whitmore Hot Springs

Wir entschlossen uns, die Nacht dort zu bleiben und am nächsten Tag gleich wieder in den Quellen zu baden. Es gibt tatsächlich Schlechteres, als nach dem Frühstück in einen heißen Pool zu steigen und sich mit Naturschlamm einzureiben! Am Nachmittag besuchten wir noch einige andere heißen Quellen in der Nähe, unter anderem die Hot Creek Geological Site, eine in der Region bekannte Landschaft mit dampfenden und blubbernden heißen Quellen, die man leider nur von draußen bestaunen durfte. Hier spazierten wir umher und bewunderten die Schönheit dieses Ortes, übernachteten dennoch wieder an unserem alten Platz an unserer „Hausquelle“.

Hot Creek Geological Site

Am dritten Tag bei den Whitmore Hotsprings brachen wir auf Richtung San Francisco, von wo aus wir einige Tage später unseren Weiterflug nach New York gebucht hatten. Noch immer waren alle drei Durchgangsstraßen durch den Nationalpark gesperrt, und so mussten wir einen riesigen Umweg fahren, der uns quer über einen Gebirgspass führte. Unsere Angst vor zugeschneiten Straßen war unbegründet, und so erreichten wir sicher unseren Campingplatz im Del Valle Regional Park vor den Toren San Franciscos. Wir konnten es kaum glauben, doch es herrschte kein Feuerverbot, und so sammelten wir Holz und zündeten abends seit langem mal wieder ein gemütliches Lagerfeuer an. Von Zweisamkeit konnte aber keine Rede sein: Eine Horde wilder Truthähne belagerte den ganzen Campingplatz, und als sie sich abends zurückzogen, besuchten uns ein paar Rehe. Kaum waren diese verschwunden, raschelte es erneut im Gebüsch, und die Waschbärbande war los. Zu guter Letzt stattete uns ein Fuchs einen Besuch ab, der recht ungeniert über unseren Platz trabte und nach Essbarem suchte. Mit Sicherheit der artenreichste Campingplatz, den wir je hatten!

Am nächsten Tag sollte es ernst werden. Wir hatten unseren ersten Besichtigungstermin für den Camper! Zum Glück erst nachmittags, so dass wir den gesamten Vormittag zum Putzen zur Verfügung hatten. Und den brauchte es auch! Nach geschlagenen fünf Stunden in der Waschanlage hatten wir den Dreck der letzten vier Monate und sogar noch der Jahre davor beseitigt. Blitzblank der Camper – völlig fertig wir. Zuversichtlich fuhren wir zu unserem Interessenten, doch das Gespräch lief nicht so wie erhofft. Zwar gab der Mann ein Angebot ab, das notfalls akzeptabel gewesen wäre, er wirkte auf uns jedoch wenig motiviert und eher zurückhaltend. Etwas enttäuscht verbrachten wir die Nacht im Anthony Chabot Regional Park, der sehr nah bei San Leandro lag, wo wir am nächsten Morgen den nächsten Besichtigungstermin ausgemacht hatten. Wir beschlossen, für diesen Termin unsere Verkaufstaktik zu ändern, und so nahmen wir die beiden älteren Herren, die gemeinsam erschienen, sofort in Beschlag. Chris schnappte sich den eigentlichen Kaufinteressenten und wies diesen mit überzeugender Begeisterung in alle technischen Details ein. Ich umgarnte den Begleiter, so dass dieser von seiner eigentlichen Aufgabe, das Auto kritisch unter die Lupe zu nehmen, nach kürzester Zeit absah und mir lieber seine gesamte Lebensgeschichte erzählte (und noch viel mehr). Wir vier waren uns sofort grün, und während Chris die Probefahrt begleitete, schaute ich mir geduldig hunderte Handybilder an und hörte die Geschichten dazu. Drei Stunden später lag der unterschriebene Kaufvertrag auf dem Tisch. Leider klappte das Online-Banking nicht, so dass wir einen Scheck bekamen, der auf den Tag der Übergabe wenige Tage später datiert war. Wir machten aus, dass wir den Camper vorbeibringen und noch zwei Nächte im Hof der Käufer übernachten dürfen. Es lief alles wie am Schnürchen, und als die Beiden weg waren, gingen wir sofort in den nächsten Supermarkt und kauften zwei Flaschen Sekt. Der Verkauf war besiegelt! Und der erzielte Preis lag sogar über demjenigen, den wir in Alaska bezahlt hatten. Erschöpft aber glücklich fuhren wir zurück zum Campingplatz, doch die Sektflaschen blieben an diesem Abend unberührt. Als hätten wir es gespürt. Denn am nächsten Morgen erreichte uns die Meldung, dass unser Käufer die Überführungskosten nach Hawaii unterschätzt hätte (dort wollte er den Camper zum Reisen haben). Ein langes Telefonat später war klar – der Deal ist geplatzt. Völlig vor den Kopf gestoßen standen wir nun da und hatten noch weniger als vorher. Denn längst war allen anderen Interessenten abgesagt, und sogar ein Angebot für deutlich mehr Geld ausgeschlagen. Wir verbrachten den folgenden Tag anstatt mit geplanter Entspannung auf einem großen Parkplatz in San Leandro in der Hoffnung, durch unsere „For-Sale“ Schilder aufzufallen. Doch keiner kam. Auch die wieder angeschriebenen alten Interessenten antworteten nicht mehr oder sagten ab. Es war wie verhext, und die Zeit des Abflugs rückte immer näher. Am nächsten Tag standen wir wieder auf einem Parkplatz, als sich endlich eine Dame meldete, die wir bereits abgeschrieben hatten. Sie wollte noch am gleichen Tag vorbeikommen, doch ich hatte keine große Hoffnung in sie. Wollte sich wirklich eine Frau alleine dieses alte Ungetüm kaufen? Die noch nie einen Camper hatte, stattdessen im Sportwagen angefahren kam? Doch mal wieder wurde das weibliche Geschlecht massiv unterschätzt! Diese 50-jährige Krankenschwester war sofort Feuer und Flamme für den hohen Truck und seinen Aufsatz, ließ sich alles ausführlich zeigen, setzte sich angstlos hinters Steuer und während ich noch die Wartezeit der Probefahrt mit gelangweiltem Schlendern durch die Geschäfte verbrachte, verhandelte sie mit Chris schon über den Kaufpreis, der letztendlich ebenfalls über unserem Kaufpreis lag. Ich konnte es kaum glauben, als mir die beiden entgegenkamen und schon auf dem Weg zum Geldautomaten waren, um die Anzahlung abzuheben, ohne die wir nach dem geplatzten Deal vom ersten Mal nichts mehr machten. Auf einmal hatten wir wieder einen Kaufvertrag in den Händen, und verabredeten uns mit ihr für drei Tage später in San Francisco zur Übergabe. Diese Frau wollte den Camper unbedingt, und diesmal ging nichts mehr daneben, das spürten wir. Wir leisteten uns zur Feier des Tages zwei Nächte auf einem Platz direkt am Meer und ließen die Sektkorken knallen!

Danach war es Zeit, unserem Camperleben den Rücken zu kehren. Etwas wehmütig fuhren wir zu unserem angemieteten Airbnb-Zimmer, und landeten auch prompt in der Spielhöhle eines sehr speziellen älteren Herrn. Sein Haus war ausgestattet mit Spielautomaten und Pokertischen, sein Traum war ein Haus in Las Vegas, und seine Haushaltsführung alles andere als ordentlich. Es fiel uns schwer, nach so langer Zeit auf kleinem aber eigenem Raum wieder in fremden Räumlichkeiten zu sein, vorallem da ein großer Lärmpegel herrschte und die Küche außer Pappteller und dreckigen Töpfen nix hergab. Mit seltsamem Gefühl im Bauch räumten wir unsere Sachen aus dem Camper und machten ihn bereit zur Übergabe, die am nächsten Abend stattfinden sollte. Den Tag drauf nutzten wir für etwas Sightseeing und fuhren direkt zur Golden Gate Bridge (natürlich nicht mit dem Auto, das wir nun keinen Meter mehr unnötig bewegen wollten). Die Fort Point National Historic Site, eine alte Befestigungsanlage, ist am Wochenende für die Öffentlichkeit zugänglich und ein wunderbarer Ort, um Fotos zu schießen und die Sicht auf die Golden Gate Bridge zu genießen. Hier hielten wir uns lange auf, bevor wir das touristische Hafenviertel Fisherman´s Wharf besichtigten und letztlich im Stadtzentrum in einer schönen Weinbar endeten.

Golden Gate Bridge
Fisherman´s Wharf

Wieder an der Wohnung angelangt, trafen wir unsere Käuferin zur Übergabe, die in der schon gewohnten resoluten Art ihre Sachen in den Wagen schmiss und sich grob den Weg erklären ließ. Wir diskutierten gerade, ob wir noch warten sollten, bis sie sich eingerichtet hatte, als schon der Motor anging und sie von dannen rollte. Besonders ich war tief beeindruckt von der selbstverständlichen und selbstbewussten Art, mit der sie auf ihr Glück vertraute und ohne jegliche Vorbereitung in die Nacht verschwand. Eine starke Frau!

Für den nächsten Tag hatten wir uns Tickets für Alcatraz gebucht, der bekannten Gefängnisinsel in der Bucht von San Francisco. Ungefähr 30 Jahre lang wurden hier die berüchtigsten und schwersten Verbrecher des Landes inhaftiert, und sogar Al Capone saß in diesem Hochsicherheitsgefängnis fünf Jahre ein. Heute gilt die Insel ironischerweise als Recreation Site (Erholungsgebiet) mit über 1 Million Besucher pro Jahr! Die sind allerdings berechtigt, denn die Führung durch den Audioguide durch die Zellentrakte, die Bibliothek und den Speisesaal ist grandios gemacht. Interviews mit echten Inhaftierten und Wärtern geben dem Ganzen einen guten Einblick davon, welche Umstände damals herrschten, und zusammen mit den düsteren Zellen und Gängen ergibt sich ein Gefühl von unendlicher Beklemmung und Trostlosigkeit. Wieder unter blauem, freien Himmel wusste man die eigene Freiheit zu schätzen wie nie zuvor.

Zellentrakt auf Alcatraz

Nichts beruhigt meine Nerven so sehr wie Tiere, Essen und Alkohol, daher sind wir wieder auf dem Festland zum Pier 39 gelaufen, ließen die Geschäfte links liegen und steuerten direkt die Seehunde an, die zu gefühlt Hunderten auf den Anlegestellen lagen und schliefen. Es war ein Bild für die Götter, und wir beobachteten sie lange Zeit, wie sie selig lächelnd und dicht gedrängt an- und übereinander lagen. Danach gingen wir seit langer Zeit mal wieder essen, und genehmigten uns noch ein Glas Wein in einer weiteren Weinbar. So klang unser letzter Tag in Amerikas Westen aus, und am nächsten Tag stiegen wir, seit langem mal wieder mit Rucksäcken unterwegs, in den Flieger Richtung New York.

Pier 39
Das Leben ist schön

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mista_birdy
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mista_birdy

Na, ihr zweibeiden,
das Abenteuer reißt ja nicht ab.
Nun habt ihr aber ein Problem.
Beim nächsten Bewerbungsgespräch fragt der Personaler bestimmt, ob ihr schonmal in einem Gefängnis gewesen seit. Was willst du nun antworten ohne zu flunkern?!? ? „Ähm, ja. Aber nur kurz…“ ?
Wir wünschen Euch einen super guten Start ins neue Jahr und weiterhin sau viel Glück. ?

Angie und Steffen

Bianca Gärtner
Gast
Bianca Gärtner

Hallo hier 2,

Ihr habt ja einiges Erlebt. Schade das es mit dem Yosemite Park nicht geklappt hat.

Lg Bianca

Christian
Gast
Christian

Moin Moin… wann gibt es denn hier mal wieder was zu lesen? Schon fast drei Wochen ohne neuen Eintrag. Was soll ich denn den ganzen Tag bei der Arbeit machen, wenn ich nix zu lesen hab und keine neuen Fotos anschauen kann? 🙂

Viele Grüße!
Christian